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Exkurs: Nach den Indochinakriegen
(Vietnam, 2006)

Nach der Einnahme Saigons durch die nordvietnamesischen Truppen 1975 wurde das Land nach den Vorstellungen der kommunistischen Fuehrung in Hanoi zuegig wiedervereint - nach formellen Wahlen konstituierte sich am 2.Juli 1976 die Sozialistische Republik Vietnam. Enorme Kriegsschaeden, kaum infrastrukturelle Grundlagen, wenig ausgebildete Facharbeiter und nur begrenzte Wirtschaftshilfe aus dem Ausland machten die Ausgangssituation fuer das wiedervereinte Land zu keiner sehr guenstigen. Die kommunistische Regierung leitete eine Landreform ein und schliesslich gar eine komplette Verstaatlichung des Handels zugunsten einer rigorosen sozialistischen Planwirtschaft. Nach wenigen Jahren stand Vietnam auf diese Weise am Rande des volkswirtschaftlichen Kollaps und es kam zu einer Reihe von Fluechtlingswellen (etwa die "Boat People", verzweifelte Auswanderer, die die Flucht ueber das Meer wagten).


Die USA unterliessen indessen nicht nur Reparationszahlungen, sondern belegten die Sozialistische Republik mit einem Wirtschaftsembargo. Aufbauhilfe wurde Vietnam nur durch die ehemaligen Ostblockstaaten zuteil. Finanziell und - nicht ganz uneigennuetzig - militaerisch unterstuetzte die Sowjetunion. Aber auch die DDR bildete zahlreiche vietnamesische Studenten und Facharbeiter aus (nicht wenige leben ja bis heute in Deutschland). Fester und unzerstoerbarer Bestandteil des vietnamesischen Strassenverkehrs sind auch Unmengen alter und neuer IFA-LKWs aus der DDR, die man bei uns schon seit 10 Jahren nicht mehr sieht.


Tausende IFA-LKWs besorgen einen Teil des Lastransports in Vietnam

Weniger gut - und das mit Tradition - war das Verhaeltnis zu China. Das ist auch der Grund fuer die beiden Kriege, die Vietnam Ende der 1970er ausgefochten hat. Das kam so:


Seit 1975 wuetete das Schreckensregime der Roten Khmer in Kambodscha und versuchte mit beispielloser Grausamkeit eine Art agrar-maoistische Utopie zu realisieren (dabei kamen ca. 20 Prozent der eigenen Bevoelkerung auf barbarische und sinnlose Weise ums Leben). Die Pol-Pot-Regierung wurde aktiv von China unterstuetzt. Als Einheiten der Roten Khmer wiederholt in den Sueden Vietnams vorgestossen waren (zum einen um den Anspruch Kambodschas auf das 250 Jahre zuvor annektierte Mekong-Delta zu erheben und zum anderen wohl auch als “Staenkerei” im chinesischen Interesse) sah Hanoi den Anlass fuer einen umfassenden Gegenangriff gegeben. In einer 14-taegigen Grossoffensive nahmen die kampferprobten vietnamesischen Truppen fast ganz Kambodscha ein und vertrieben die Roten Khmer in die westlichen Dschungelgebiete (wo sie quasi bis heute weitesgehend unbehelligt leben).


Aus Rache fuer den Sturz Pol Pots und zur Demonstration der eigenen Vormachtstellung veruebte China im Fruehjahr 1979 mit 200.000 Mann einen grossen Vergeltungsangriff gegen Nordvietnam. Das chinesische Vordringen wurde jedoch nach einem Monat starker Gefechte von der vietnamesischen Armee zurueckgeschlagen. Die “Strafaktion” wurde fuer China zu einem Desaster bei dem ueber 20.000 eigene Soldaten ums Leben kamen. Dennoch war es Peking gelungen die hoechst labile wirtschaftliche Situation Vietnams noch weiter zu verschaerfen.


Zu Beginn der 1980er war Vietnam so zu einem der aermsten Laender Asiens geworden. Aber die kommunistische Fuehrung zeigte sich in gewisser Weise einsichtiger als einige der europaeischen Ostblockstaaten und leitete ab 1986 eine Liberalisierung der Wirtschaft (etwa der Schutz von Privateigentum) ein und war nun bereit fuer auslaendische Investitionen. Seither geht es in Vietnam relativ kontinuierlich bergauf (zumindest was den Wohlstand betrifft). 1994 beendete Washington sein Wirtschaftsembargo und 1995 wurde Vietnam Mitglied der suedostasiatischen Wirtschaftsgemeinschaft (ASEAN).


Damit erklaert sich auch ein Stueck weit die Realitaet des heutigen Vietnam. Die Vietnamesen sind ein stolzes, traditionsbewusstes Volk, das – wie die juengere Geschichte gruendlich gezeigt hat – bis zum Letzten fuer seine Unabhaengigkeit zu kaempfen bereit ist. Auch ist man in Vietnam besonders pragmatisch, so pragmatisch, dass eine harte Marktwirtschaft unbd eine sozialistische Staatsideologie durchaus vereinbar sind. Mitunter scheint es mir so, als dass man sich die Vorteile beider Lebens- und Denkweisen aneignet (die Vietnamesen sind, teils aufgrund ihrer sozialistischen Erziehung, weit davon entfernt so einem krassen Individualisierungsdruck zu erliegen, wie wir Buerger des Westens. Z.B. funktioniert in Vietnam die Familie und es stimmt die Geburtenrate) Der bedachte und geregelte Ausbau des touristischen Potentials ist im uebrigen auch ein Phaenomen, an dem sich das Gesicht des modernen Vietnam sehr gut wiederspiegelt.

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